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Mitarbeiter der „Chroniken der deutschen Städte“ an Karl Hegel, o. O., 30. Juli 1887

Hochgeehrter Herr Professor!

Sie blicken heute auf fünfzig Jahre einer schaffensreichen gelehrten Wirksamkeit zurück. In den Reihen derer, die Ihnen zu solchem Tage ihre Glück und Segenswünsche darbringen, haben die Unterzeichneten nicht fehlen wollen, die ein wissenschaftliches Unternehmen zusammengeführt hat, das Ihnen seine Entstehung verdankt und sich seitdem Ihrer thatkräftigen Leitung erfreut.3

Bei Begründung der historischen Kommission im Herbst 1858 haben Sie den Plan einer Herausgabe der deutschen Städtechroniken vorgelegt und seine Ausführung alsbald ins Werk gesetzt, so daß heute eine Sammlung von neunzehn stattlichen Bänden mit den Chroniken der namhaften Städte aus dem Süden und Norden des Vaterlandes vorliegt. Alle sind unter Ihrer Leitung erschienen, eine Anzahl der wichtigsten haben Sie selbst bearbeitet.4

Als Sie im Jahre 1862 die Sammlung mit dem „Stromerbüchlein“ eröffneten, haben Sie zugleich das Muster aufgestellt, das für die Herausgabe von Quellenschriften dieser Zeit und dieser Gattung als das zweckentsprechendste erscheint und sich für alle folgenden Editionen bewährt hat. Es gibt das von der textkritischen Behandlung und von der in Anmerkungen und Beilagen gegebenen sachlichen Erläuterung nicht weniger als wie von den einleitenden Teilen, in denen Sie die Verfassungsgeschichte und die historiographische Entwicklung Ihrer schönen Vaterstadt darlegten.

Ein Reichtum von Quellen ist der Geschichte des deutschen Städtewesens durch Ihre Sammlung zugeführt. Vieles darin war bisher unbekannt, anderes ist erst durch sie zugänglich oder für wissenschaftliche Zwecke verwertbar gemacht, einiges durch sie zur rechten Zeit vor dem Untergange gerettet5 worden.

Die Erzeugnisse der bürgerlichen Geschichtsschreibung, wie Sie dieselben bezeichnet und charakterisiert haben, können sich an historischer Kunst nicht mit dem messen, was alte und neue Geschichtsschreibung hervorgebracht hat, aber sie bergen einen unvergleichlichen Schatz politischer und kulturhistorischer Belehrung. Als Sie vor nunmehr vierzig Jahren die Grundlinien der Verfassungsgeschichte der deutschen Städte zogen, haben Sie die Basis für alle weiteren Arbeiten auf diesem Gebiete geschaffen, auch für Ihre eigenen, welche die Verfassungsgeschichten von Nürnberg, Straßburg, Köln und Mainz in scharf umrissenen Zeichnungen vorlegten.6 Als Sie das Beispiel gaben, zu Erläuterung, Ergänzung und Controlle die archivalischen Schätze heranzuziehen, welche die Städte des Mittelalters in Rechnungen, Steuerlisten, Preisverzeichnissen, öffentlichen und privaten Denkwürdigkeiten aufgehäuft haben, haben Sie nicht nur eine bisher wenig beachtete Art von Quellen würdigen gelehrt, sondern auch die Aufmerksamkeit auf eine Seite des inneren städtischen Lebens, die wirtschaftliche, hingelenkt, welche seitdem in ihrer geschichtlichen Bedeutung immer mehr erkannt wird. Ihnen selbst verdankt die Forschung eine Reihe der wichtigsten und anregendsten Arbeiten dieses Gebietes über Muenzwesen, Preise und Volkszählung. Sie haben von Anfang an darauf gehalten, daß die Geschichtsdenkmäler Ihrer Sammlung auch als Denkmäler deutscher Sprachentwicklung ihre Würdigung fanden und können mit Genugthuung auf das Ergebnis hinweisen, daß die Städtechroniken überall, wo deutsche Sprach- und Wortforschung des späteren Mittelalters die Aufgabe bildet, als eine der ergiebigsten Quellen herangezogen werden. Hat die philologische Bearbeitung der Chroniken genötigt, der Verschiedenheit der Dialekte sorgsame Beachtung zu schenken, so hat die historische Bearbeitung der einzelnen Städtegeschichten nicht ohne volle Berücksichtigung des in den Chroniken so reich vertretenen lokalen Elements ausgeführt werden können. Es bedurfte des Eingehens auf die Baugeschichte einer Stadt wie auf die Familiengeschichte ihrer Bürgergeschlechter, auf die verschiedenen Zweige ihres Gewerbefleißes wie ihrer Kunstthätigkeit. Die Ausgabe der Städtechroniken darf auch das unter Ihre Verdienste zählen und es ist keines der geringst anzuschlagenden – die Lokalforschung vertieft, sie den Händen des Dilettantismus entrissen und in den Dienst der Geschichtswissenschaft gestellt zu haben.

Von den fünfzig Jahren, auf die Sie, hochgeehrter Herr Professor, heute zurückblicken, sind nahezu dreißig dem Werke der Städtechroniken gewidmet gewesen. Während dieser Zeit war es den Unterzeichneten vergönnt, teils mit, teils nach einander an dieser Sammlung zu arbeiten. In ihren Reihen fehlt mancher, der sich mit ihnen nicht mehr zur Feier des heutigen Tages vereinigen kann, vor allem Ihr frühester und getreuester Mitarbeiter, Theodor von Kern. Auch die sympathische Gestalt des Verlegers, Salomon Hirzel, der die Chroniken der deutschen Städte unter die Werke seiner berühmten Firma aufnahm, kann sich nicht mehr zu denen gesellen, die heute von allen Seiten Sie zu begrüßen kommen werden. Wenn die Unterzeichneten bitten, sich den Glückwünschenden aus dem Kreise Ihrer Familie, Ihrer Freunde, Ihrer Collegen und Ihrer Schüler anschließen zu dürfen, so geschieht es, um Ihnen in diesem Blatte ein Zeichen der Erinnerung und des Dankes zu überreichen, der Erinnerung an eine Zeit freudigen Schaffens und Wirkens an einem Werke, dem es vermöge, Ihrer Leitung und Teilnahme gelungen ist, einen Ehrenplatz in der deutschen Geschichtslitteratur zu erringen; des Dankes für alle Anregung und Förderung, die sie in jener Zeit des persönlichen Verkehrs von Ihnen erfahren und zu aller Zeit aus Ihren Schriften geschöpft haben.

Möge es Ihnen, hochgeehrter Herr Professor, beschieden sein, noch lange in Kraft und Rüstigkeit Ihrer Wissenschaft zu dienen!

Professor von Lexer, in Würzburg, Archivdirektor von Weech in Karlsruhe, Oberbibliothekar Kerler in Würzburg, Professor Frensdorff in Göttingen, Stadtarchivar Hänselmann in Braunschweig, Staatsarchivar Janicke in Hannover, Regierungsbibliothekar Schröder in Schwerin, Redakteur Dr. Cardauns in Köln, Professor Birlinger in Bonn, Professor Heigel in München, Professor Wagner in Göttingen, Reichsarchivrat Schäffler in Würzburg, Stadtarchivar Koppmann in Rostock.