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Karl Hegel an Julius Weizsäcker, Erlangen, 11. Oktober 1888

Theurer Freund!

Besten Dank sage ich Ihnen für Ihre akademische Abhandlung über die Urkunden König Ruprechts, die ich heute erhalten und von der ich so eben den Anfang gelesen habe. Schon eher wollte ich mich nach Ihrem Befinden und Ergehen erkundigen, da ich mit anderen Ihr Ausbleiben von den Sitzungen in München1 beklagte. Auch Sybel und Arneth fehlten und Döllinger kam nicht von Tegernsee weil er nichts hört. Nur die jungen Herren waren vollzählich da. Ihr Stellvertreter Quidde hat seine Sache gut gemacht. Kluckhohn ist viel umhergereist, der Stoff wächst ihm über den Kopf; seine Edition werde ich schwerlich mehr erleben.2 Sonst ging alles seinen gewöhnlichen Gang, Abendessen und Toast bei Giesebrecht, wo ich nicht war, Verkehr bei Leinfelder, wo sich mehr und mehr die Auswärtigen beisammen finden, diesmal auch Sickel mit Frau, die Cigaretten raucht.

Wie ich hörte, haben Sie eine Kur in Kissingen gebraucht und wollten sich nachher schonen. Hoffentlich wird sie von guten Folgen sein, und wenn Sie damit das Richtige getroffen, wissen Sie auch was Sie künftig zu thun haben.

In München war ich nach Schluß der Sitzungen noch beim Empfang des deutschen Kaisers und sah ihn mit ernster Miene aus der Residenz fahren. Der Volksjubel war groß genug wo er sich blicken ließ. Ich glaube, daß er die Empfindlichkeit des Hofs schonen wollte, da er das Rathhaus nicht besuchte, wo man ihm eine glänzende Ovation bereitet hatte.

Leid war es mir, daß ich Ihren Sohn Heinrich nicht sah, der in meiner Abwesenheit hier war, aber meine Tochter Marie durch seinen Besuch erfreut haben würde, wenn er nach ihr gefragt hätte. Auch mein Sohn Georg, der Premier geworden ist, hätte ihn gern begrüßt. Aber so geht es, wenn man nicht Zeit oder Anderes vorhat.

Mit meiner Gesundheit kann ich zufrieden sein, da mir nichts fehlt als was das Alter natürlich mit sich bringt. Ich war bei schlechtem Wetter mit Marie zwei Wochen in Ruhpolding bei Traunstein und reiste bei schönem Wetter über Salzburg zurück. In München erfreute ich mich des achttägigen Zusammenseins mit der Familie Lommel3, der es recht gut geht.4

Seien Sie mit den Ihrigen und Fräulein Deutsch herzlich gegrüßt von

Ihrem treu ergebenen
Karl Hegel.