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Karl Hegel an Sigmund Hegel, Erlangen, 1. März 1891

Lieber Sigmund!

Durch Deine Postkarte vom 26. Februar1 gabst Du uns Nachricht von einiger Besserung Deines langwierigen Leidens. Auch Tante Clara, die Dich besuchte, bestätige uns dies. Dennoch mußt Du Dich wohl noch auf zwei bis drei Wochen Deiner Lähmung gefaßt machen. Das ist eine traurige Geduldsprobe! Was sagt die Fabrik dazu, die so karg ist mit Erteilung eines Urlaubs? Bekommst Du Deinen Gehalt fort? Die 200 Mark die ich Dir durch Merzbach sandte, wirst Du erhalten haben. Für Dein längeres Verbleiben in Bethanien spricht, daß Du dort bei den Stubengenossen gute Unterhaltung findest und der nötigen Pflege nicht entbehrst.

Ich hatte 14 Tage lang einen argen Catarrh und stak in einem moralischen Sumpfe. Jetzt geht es allmählich besser. Marie allein hörte das Concert von Wilhelmi, der Alle entzückte, aber schlecht besucht war. Man hatte sich schon bei den lebenden Bildern im Theater zum besten des Kaiserdenkmals stark verausgabt. Professorendamen, auch Frau Oberst Grünvogel, und Studenten der Burschenschaften wirkten mit, Selenka war der Dirigent. Das konnte ich noch mit ansehen.

Morgen Abend erwarten wir Luise mit Hermännchen aus München zu unserer großen Freude. Sie wird 10 Tage bleiben. Ich denke, daß auch Georg einmal herüberkommen wird; er ist zu einem andern Bataillon in Bamberg versetzt und muß deshalb eine andere Wohnung nehmen; von einer Versetzung hierher ist nicht die Rede.

Studentencommerse zu Ehren des Prinz-Regenten, dessen 70 jähriges Geburtsfest am 12. dieses Monats bevorsteht2, werden jetzt abgehalten, zuerst von den Corps in vergangener Woche, morgen von der übrigen Studentenschaft. Das ist doch wohl des Guten zu viel, denn an dem Aufzug in München beteiligen wir uns auch.

Mögest Du uns bald wieder von Deinem Befinden benachrichtigen.

Dein Vater Hegel