Wir haben uns leider am Montag auf dem Bahnhof in Bamberg verfehlt. Unser Zug hatte sich durch Auswechselung einer schadhaften Locomotive verzögert. Als wir von Bamberg abfuhren, sah Dich Marie mit einem andern Offizier – vielleicht Brockdorf? – noch aus der Ferne.
Wir waren fünf Tage in Berlin bei schlechtem, kaltem und regnerischem Wetter. Ich war durch Sitzungen und Besuche in Anspruch genommen, Marie hat sich weiter umgesehen, auch die Adelina
Patti in einem Concert gehört und die Hugenotten im Opernhaus gesehen. Natürlich war unser Erstes, Sigmund in Bethanien zu besuchen. Er lag noch im Bett, – seit 6 Wochen! – und wurde mit Jodeinreibung | am Arm behandelt, zeigte sich aber wohlgenährt und mit anwachsendem Vollbart versehen; noch einige Wochen soll er Geduld haben! Etwas sehr Erfreuliches aber traf gerade in diesen Tagen ein; er erhielt ein Schreiben vom kaiserlichen Reichspatentamt, bei dem er sich früher gemeldet hatte, daß dort eine Anstellung für ihn offen sei, welche er schon im Laufe dieses Quartals antreten könne. Da er selbst seine rechte Hand noch nicht brauchen konnte, faßte ich für ihn die dankende Annahme ab und auch eine Anfrage bei der Fabrik wegen seiner Entlassung. Letzteres hatte, wie uns Sigmund seitdem schrieb, den Erfolg, daß die Direktion erklärte, ihm kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen (der Contract dauerte auf ein Jahr). Jetzt ist es aber vor allem nötig, daß Sigmund wieder gesund werde, und dazu ist gute Aussicht vorhanden, da er uns auch schrieb, daß die schmerzhaften Jodeinreibungen nun aufhören | sollen. Es gereicht mir zu vieler Beruhigung, daß seine Zukunft durch den Eintritt in den Reichsdienst als gesichert erscheint; aber Gesundheit, Arbeitskraft und Fleiß ist durchaus erforderlich, um darin sich zu entfalten und weiterzukommen.
Hellwigs sind am Donnerstag Abend zurückgekommen, ich sah nur die Frau, die ich besuchte.
Möge es Dir wohl gehen.
Dein Vater Hegel
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Patti, Adelina11923532318431919Patti, Adelina (1843–1919), spanische Opernsängerin, eine der berühmtesten und bedeutendsten Koloratursopranistinnen ihrer Zeit.
Hegel, Sigmund (Mundel, Mundulus, Munerle)Sigmund Hegel11657085718631945Hegel, Sigmund (1863–1945), sechstes Kind (zweiter Sohn) Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), Mitglied des Corps Onoldia in Erlangen, Chemiker, Kaiserlicher Geheimer Regierungsrat am Reichspatentamt in Berlin.
Hellwig, Konrad Maximilian11669044518561913Hellwig, Konrad Maximilian (1856–1913), in Zierenberg bei Kassel geborener Rechtswissenschaftler, der von 1875 bis 1878 an den Universitäten Heidelberg, Leipzig, Marburg und Straßburg studierte, wo er im Jahre 1878 auch promoviert wurde. Nach kurzer Tätigkeit in der Justiz habilitierte er sich 1883 in Leipzig und wurde Privatdozent. Ab 1885 war er außerordentlicher Professor an der Universität Rostock, dann von 1885 bis 1888 ordentlicher Professor an der Universität Gießen, von 1888 bis 1902 an der Universität Erlangen, wo er im Studienjahr 1895/96 auch Prorektor war, und von 1902 bis 1913 an der Universität Berlin.
Bamberg49.8916044,10.8868478Alte Bischofsstadt in Franken, etwa 60 Kilometer nördlich von Nürnberg an der Mündung der Regnitz in den Main gelegen.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
„Hugenotten“Oper „Les Huguenots“ von Giacomo Meyerbeer (1791-1864).
Bethanien (Berlin)Mitte des 19. Jahrhunderts gegründetes Central-Diakonissen-Krankenhaus in Berlin.
Kaiserliches PatentamtNach dem Erlaß des ersten einheitlichen deutschen Patentgesetzes im Jahre 1877 wurde am 1. Juli 1877 sogleich das vorgesehene Kaiserliche Patentamt in Berlin gegründet, das 1891 seinen ersten Neubau beziehen konnte.