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Karl Hegel an Georg Hegel, Erlangen, 19. April 1891

Lieber Georg!

Wir haben uns leider am Montag auf dem Bahnhof in Bamberg verfehlt. Unser Zug hatte sich durch Auswechselung einer schadhaften Locomotive verzögert. Als wir von Bamberg abfuhren, sah Dich Marie mit einem andern Offizier – vielleicht Brockdorf? – noch aus der Ferne.

Wir waren fünf Tage in Berlin1 bei schlechtem, kaltem und regnerischem Wetter. Ich war durch Sitzungen2 und Besuche in Anspruch genommen, Marie hat sich weiter umgesehen, auch die Adelina Patti in einem Concert gehört und die Hugenotten im Opernhaus gesehen. Natürlich war unser Erstes, Sigmund in Bethanien zu besuchen. Er lag noch im Bett, – seit 6 Wochen! – und wurde mit Jodeinreibung am Arm behandelt, zeigte sich aber wohlgenährt und mit anwachsendem Vollbart versehen; noch einige Wochen soll er Geduld haben! Etwas sehr Erfreuliches aber traf gerade in diesen Tagen ein; er erhielt ein Schreiben vom kaiserlichen Reichspatentamt, bei dem er sich früher gemeldet hatte, daß dort eine Anstellung für ihn offen sei, welche er schon im Laufe dieses Quartals antreten könne. Da er selbst seine rechte Hand noch nicht brauchen konnte, faßte ich für ihn die dankende Annahme ab und auch eine Anfrage bei der Fabrik3 wegen seiner Entlassung. Letzteres hatte, wie uns Sigmund seitdem schrieb, den Erfolg, daß die Direktion erklärte, ihm kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen (der Contract dauerte auf ein Jahr). Jetzt ist es aber vor allem nötig, daß Sigmund wieder gesund werde, und dazu ist gute Aussicht vorhanden, da er uns auch schrieb, daß die schmerzhaften Jodeinreibungen nun aufhören sollen. Es gereicht mir zu vieler Beruhigung, daß seine Zukunft durch den Eintritt in den Reichsdienst als gesichert erscheint; aber Gesundheit, Arbeitskraft und Fleiß ist durchaus erforderlich, um darin sich zu entfalten und weiterzukommen.

Hellwigs sind am Donnerstag Abend zurückgekommen, ich sah nur die Frau, die ich besuchte.

Möge es Dir wohl gehen.
Dein Vater Hegel