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Karl Hegel an Sigmund Hegel, Erlangen, 30. Juni 1891

Lieber Sigmund!

Zu Deinem Geburtstage1, den wir morgen mit Dir feiern, sende ich Dir meine herzlichen und väterlichen Wünsche. Schwere und langwierige Krankheit hast Du glücklich und hoffentlich ohne Wiederkehr überstanden; sie hat Dir zur ernsten Warnung gereicht, auf Dich selbst mehr zu achten. Du bist im Zuge angestrengter Arbeit, neben der nicht viel Zeit zu bloßen Vergnügungen übrig bleibt; auch die Lust daran wird immer mehr abnehmen. Mein Geburtstagsgeschenk, das ich im Strumpfe beilege, ist ganz praktisch gemeint und bestimmt für die Ergänzung Deines Haushalts, woran es in Deiner Wohnung zu fehlen scheint. Für Geld, schreibst Du, ist alles in Berlin zu haben; nun wohl! soweit es reicht.

Daß Du im Thiergarten des Morgens und oft auch des Abends spazieren gehst, ist sehr recht.

Dadurch sorgst Du am besten für Dein Wohlbefinden, wie mein Beispiel beweist: ohne dieses einfache und kostenfreie Mittel, das mir zum täglichen Bedürfniß geworden, wäre ich weder so alt geworden, noch so gesund geblieben, wie ich im ganzen bin. Übrigens herrscht hier gegenwärtig eine solche Hitze, daß ich meinen Spaziergang auf den späten Abend verlegen muß, und wir sitzen bei der Lampe bis 10 Uhr in der Verandah. Am letzten Sonntag war sie jedoch noch so weit erträglich, daß ich am Nachmittag mit Marie nach Forchheim fahren und zu den Kellern hinaufsteigen konnte; wir trafen auf dem Rückwege mit Koldes zusammen. Heute Morgen wäre ich gern in Nürnberg gewesen, um den Vortrag des Majors Wißmann zu hören, der dort in einer Zusammenkunft des Colonialvereins2 stattfinden sollte. Hellwigs wollten dazu hinüber fahren.

Ich kann Sophie nicht zureden über Berlin zu reisen; das würde nicht bloß mehr Geld kosten, sondern auch die ihr zugemessene kurze Zeit noch mehr beschränken. Wir werden sie kaum hier erwarten können, da ich am 1. August in Traunstein sein will, sie aber erst noch bei Lommels sich aufhalten wird.

Wir werden Deiner morgen herzlich gedenken

Dein Vater Hegel