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Karl Hegel an Sigmund Hegel, Erlangen, 8. November 1891

Lieber Sigmund!

Deinen Brief neben Photographien1 haben wir erhalten und letztere mit Vergnügen gesehen. Du zeigst Dich im Ruderercostüm zu den Füßen der Damen! Ich gestehe Dir, daß ich an diesem Sport nur wenig Gefallen finden kann und nicht recht begreife weder, wie man lange, selbst in der Winterzeit, dabei aushalten mag, noch wozu es so vieler Übung bedarf; nur das einzige läßt sich hören, daß sein Betreiben Dir zur körperlichen Stärkung wie zur geselligen Unterhaltung gereicht. Möchtest Du nur gelegentlich nicht auch durch ein unwillkommenes kaltes Bad erfrischt werden! und wie steht es denn mit Deiner Schwimmkunst? ich glaube, Du hast sie lange nicht mehr geübt.

Bist Du denn auch noch bei dem Alpenverein? und wo und wann willst Du ferner die Alpen besteigen? Prof. Hermann hat sich im Interesse des Vereins aufs neue bei mir nach Deiner Wohnung erkundigt.

Dein Lehrer und Gönner Otto Fischer2 hat ebenfalls wiederholt nach Dir gefragt und ich teilte ihm mit, was ich von Deiner Thätigkeit bei dem Patentamt weiß. Du schriebst, daß Professor Berndsen3 – ich weiß nicht, ob ich den Namen richtig schreibe – glücklicher Weise mit seiner Bewerbung abgefahren sei; wer hat denn nun die Stelle erhalten? ich denke mir, daß es sich um den Leiter der ganzen chemischen Abtheilung handelt, der somit auch Dein Vorgesetzter ist.

Bei uns hat am 4. November die Prorectoratsübergabe von Kolde an Hölder stattgefunden und die Vorlesungen haben nun erst begonnen. Wir hatten das offizielle Mittagessen diesmal im Wallfisch. Drei neue Privatdocenten sind eingetreten: Blankenhorn für Geologie, Knoblauch für Physik, Wiegand für Kirchengeschichte.

In meinem Hause habe ich einige Verbesserungen und neue Einrichtungen getroffen. Die Gartenstube wurde neu gemalt und tapeziert. Von der Abortgrube her zeigte sich Feuchtigkeit in der Mauerwand; zur gründlichen Abhülfe wurde sie ausgeräumt und vollständig cementiert; auch ein neues Gewölbe darüber ausgeführt. Jetzt wird auch die Zuleitung von der städtischen Wasserleitung her in das Haus durch den Keller angebracht; wir werden dadurch fließendes Wasser in der Küche und in der Waschküche und in der Badstube erhalten; Georgs frühere Schlafstube wird für letztern hergerichtet.

Mit meinem und Mariens Befinden geht es gut, nur daß ich immer mehr die Schwächen des Alters empfinde. Indessen habe ich mein neues Werk über Städte und Gilden im Mittelalter in zwei Bänden4 – eine zehnjährige Arbeit – vollendet; es soll in dieser Woche ausgegeben und versandt werden.

Von den Familien Lommel und Klein sind gute Nachrichten eingegangen. Georg hat ein Commando im Zuchthaus Ebrach, Bezirksamt Bamberg II, erhalten und am 1. November angetreten. Hellwig hat Katarrh, seine Frau war in Kassel, während er die Juristen mitprüfte.

Ich sende Dir heute das gewünschte Geld, das Du für eine außerordentliche Ausgabe brauchst; es ist lobenswert, daß Du mit Deinem mäßigen Gehalt für das Laufende auskommst.

Marie grüßt Dich mit mir. Meinem lieben Bruder, an den ich vor acht Tagen schrieb, und die Seinigen sende ich herzliche Grüße.

Dein Vater Hegel