Gestatten Sie, daß ich Ihnen für Ihre überaus liebenswürdige Zusendung meinen aufrichtigen Dank sage. Sie haben mir dadurch eine geradezu außergewöhnliche Freude bereitet. Ich bin in diesen wenigen Tagen natürlich noch nicht dazu gekommen, Ihr Werk vollständig gründlich durchzustudieren. Aber was ich bisher gelesen, ist für mich schon eine Quelle reicher Belehrung | geworden.
Es war endlich Zeit, daß mit der Gildetheorie gründlich aufgeräumt wurde. Jetzt erst, nachdem freie Bahn gemacht ist, wird die Geschichte der gewerblichen Verbände mit Nutzen weiter gefördert werden. Ihr Werk ist meines Erachtens ebenso wirtschaftsgeschichtlich wie verfassungsgeschichtlich von hervorragender Bedeutung. Es ist in der Tat jetzt „die Bahn gebrochen“.
In mit kleinerem Rahmen habe ich den Grundgedanken Ihres Werkes in einem bereits gedruckten Aufsatze (in Hildebrands Jahrbüchern) vertreten, den ich Ihnen in 8-14 Tagen, wie ich hoffe, zusenden kann.1 Ich bin aufs Höchste erfreut, daß ich | ganz unabhängig zu demselben Resultat wie Sie gekommen bin. Natürlich aber beschränkt sich mein Aufsatz eben auf ein kleines Gebiet.
Mein „Ursprung der deutschen Stadtverfassung“ (worin ich mich besonders gegen Sohm wende) ist leider schon zu weit im Druck vorgeschritten, als daß ich darin auf Ihr neuestes Werk verweisen könnte.
Nur im Vorwort und in einem Anhang läßt sich noch etwas einflechten. Es ist mir aber die größte Befriedigung zu sehen, daß ich mich auch hier in den wichtigsten Fragen Ihrer Zustimmung erfreue.
Nachträglich sage ich Ihnen noch meinen ver- | bindlichsten Dank für ihren letzten liebenswürdigen Brief. Wie alle Ihre Briefe, bewahre ich mir auch diesen als wertvolles Denkmal auf.2
Ich darf mir wohl die Freiheit nehmen, auf die Wichtigkeit Ihres neusten Werkes noch in einer Zeitschrift hinzuweisen, in einer eingehenden Besprechung.3 ––
Soeben hat Lamprecht in einem Aufsatz der Historischen Zeitschrift die unglaublichsten Dinge über die Gilden behauptet. Nun, Lamprecht ist bereits bei dem Stadium des Vielschreibertums angelangt, bei dem es auf die Richtigkeit der Behauptungen nicht mehr ankommt. ––
Mit nochmaligem aufrichtigen Dank und dem Ausdruck meiner größten Verehrung
Ihr ganz gehorsamer Diener Georg von Below.
1Es handelt sich hier wohl um folgenden Aufsatz: „Die Bedeutung der Gilden für die Entstehung der deutschen Städteverfassung, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 58 (1892), S. 56-68. 2Bislang wurden alle diese hier genannten Briefe des Adressaten leider noch nicht aufgefunden. 3Georg Below (1858-1927) rezensierte Karl Hegels (1813-1901) zweibändige Monographie „Städte und Gilden der germanischen Völker im Mittelalter“ in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen 154 (1); vgl. dazu: Below, Städte und Gilden, S. 406-422.
Below, Georg Georg Below
HiKo
11865808518581927Below, Georg (1858–1927), in Königsberg geborener Wirtschafts- und Verfassungshistoriker, der an der Universität Bonn studierte und im Jahre 1883 promoviert wurde. Nach seiner Habilitation an der Universität Marburg im Jahre 1886 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Königsberg, 1891 ordentlicher Professor an der Universität Münster, 1897 in Marburg, 1901 in Tübingen und 1905 in Freiburg im Breisgau. Von 1904 bis 1926 war er in der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften nach dreijähriger Vakanz in der Nachfolge Karl Hegels Leiter der Abteilung „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Münster51.9625101,7.6251879Etwa 480 Kilometer westlich von Berlin gelegene alte Bischofsstadt und Metropole des Münsterlandes, die im Jahre 1815 infolge der Beschlüsse des Wiener Kongresses ans Königreich Preußen fiel und Hauptstadt der neu gegründeten Provinz Westfalen wurde.
Below
, Georg von: Städte und Gilden der germanischen Völker im Mittelalter, in: Göttinger Gelehrte Anzeigen 1892 (10), S. 406-422.
Below
, Städte und Gilden, S. 406-422
1892
Hildebrand, Bruno11855094218121878Hildebrand, Bruno (1812–1878), war Jurist, Wirtschaftswissenschaftler und Politiker sowie Begründer und Herausgeber der fachwissenschaftlichen Zeitschrift „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“ (seit 1862).
Sohm, RudolphRudolph Sohmhttps://www.deutsche-biographie.de/sfz14747.html#ndbcontent11861523818411917Sohm, Rudolph (1841–1917), war Jurist und Kirchenrechtler, der an den Universitäten Straßburg und Leipzig wirkte; er nahm zum Alterswerk Karl Hegels (1813–1901) über die „Entstehung des deutschen Städtewesens“ einen gegensätzlichen Standpunkt ein.
Lamprecht, KarlKarl Lamprecht11856901518561915Lamprecht, Karl (1856–1915), in Jessen an der Schwarzen Elster geborener Historiker, der von 1874 bis 1879 an den Universitäten Göttingen, Leipzig und München Geschichte, Nationalökonomie und Rechtswissenschaft studierte, im Jahre 1878 in Leipzig promoviert wurde und sich 1880 an der Universität Bonn habilitierte, wo er bis 1885 Privatdozent für Geschichte war. Anschließend war er bis 1890 dort außerordentlicher Professor, dann bis 1891 Ordinarius für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Marburg und dann bis zu seinem Tode an der Universität Leipzig, deren Rektor er im Studienjahr 1910/11 war.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
Städte und Gilden der germanischen Völker im MittelalterZweibändige Schrift Karl Hegels (1813-1901) aus seinem Alterswerk, die 1891 in Leipzig erschien.
Quelle/-nUrsprünglich für aus der Erde austretenden Wasser, im Metaphorischer Sprachgebrauch stehend für: Lebensquelle/Kraftquelle/Ursprung; auch: Informationen, (amtliche) Nachrichten aus erster Hand.
Gildetheorie, Gilden-Theorie; auch: GildefrageMethodenstreit vornehmlich innerhalb der Geschichtswissenschaft, in welchem die Anhänger der sogenannten „Gildetheorie“ bzw. „Gilden-Theorie“ darin übereinstimmten, dass die Gilde als Ursprung der germanischen Städte anzusehen sei. Diesen Standpunkt vertraten vornehmlich die Historiker Wilhelm Wilda (1800-1856) und Karl Wilhelm Nitzsch (1818-1880), auch im Sinne einer sogenannten „Großen Gilde“ nach nordischem Vorbild, sowie auch hinsichtlich der „Hypothese von der Gilde als Blutsbrüderschaft“ der Rechtswissenschaftler (Germanist) Max Pappenheim (1860-1934). Karl Hegel (1813-1901) dagegen wies, basierend auf fundiertem Quellenstudium, vornehmlich in seinem Alterswerk nach, dass nicht überall alte Gilden vor Entstehung der jeweiligen Stadtverfassung (bezüglich deutscher und außerdeutscher) Städte bestanden.
GeschichteGeschichtswissenschaft als Universitätsdisziplin sowie als gymnasiales Unterrichtsfach; auch: historische bzw. gesellschaftswissenschaftliche Abhandlung, Darstellung, Monographie über einen speziellen konkreten oder abstrakten Forschungsgegenstand wie z. B. die Geschichte einer Stadt, Geschichte einer wissenschaftlichen Disziplin etc.
wirtschaftsgeschichtlichAuf die Wirtschaftsgeschichte bezogen, ihr zuzuordnen, sie beinhaltend, auf sie bezogen, sie betreffend.
verfassungsgeschichtlichAuf die Verfassungsgeschichte bezogen, ihr zuzuordnen, zu ihr gehörend, sie betreffend.
Hildebrands JahrbücherSeit 1863 und bis heute bestehende wissenschaftliche Zeitschrift unter dem Titel: „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“, welche von Bruno Hildebrand (1812-1878), Nationalökonom, Wirtschaftswissenschaftler, Politiker, herausgeben wurde.
Ursprung der deutschen Stadtverfassung (Below)Monographie Georg Belows (1858-1927), welche 1892 in Düsseldorf erschien unter dem Titel: „Ursprung der deutschen Stadtverfassung“.
Druck, Drucke„Druck“ als Abkürzung oder Synonym für Drucklegung gebraucht, darüber hinaus auch für ein fertiges Druckerzeugnis (z. B. Kunstdruck, gedruckte Edition einer handschriftlichen Quelle etc.) stehend, somit auch im Sinne von „alte Drucke“.
Historische Zeitschrift (HZ)Im Jahre 1859 von dem Historiker Heinrich Sybel (1817-1895) gegründete geschichtswissenschaftliche Fachzeitschrift.
GildeDurch Eidesleistung bekräftigter Zusammenschluß von Kaufleuten einer Stadt im Mittelalter, aber auch eine Gemeinschaft fahrender Händler mit dem Ziel, gemeinsame Interessen zu schützen und zu fördern. Im Unterschied zu den Gilden waren die Zünfte Zusammenschlüsse von Handwerkern in einer Stadt, wobei die begriffliche Unterscheidung nicht überall erfolgte.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis