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Karl Hegel an Georg Hegel, Wiesbaden, 20. April 1893

Mein Sohn Georg!

Sehr erfreulich war mir Deine Mitteilung über die militärische Inspection, wobei Du Dich der besonderen Zufriedenheit des Herrn Generals zu erfreuen hattest. Diese Anerkennung war natürlich für Dich von hohem Wert und gebürte sowohl Deinen eifrigen Bemühungen um die Ausbildung der Dir anvertrauten Compagnie als auch dem guten Verhalten der braven Leute, das nicht weniger ein günstiges Zeugniß für die Behandlung, die sie von Deiner Seite erfahren hatten, ablegte. Beides gereicht sicherlich zu Deiner Empfehlung für die Zukunft.

Mit heute läuft die zweite Woche meines hiesigen angenehmen Aufenthaltes zu Ende, und ich gedenke noch einige Tage bis Montag oder Dinstag hier zu verweilen. Die warmen Bäder, einen um den andern Tag von mir und Marie gebraucht, scheinen von gutem Erfolg zu sein und nicht weniger das Glas vom Kochbrunnen, das ich täglich des Morgens trinke. Das Wetter bleibt unveränderlich schön und noch nie erlebte ich eine solche Pracht des Frühlings wie hier. Vor einigen Tagen machten wir einen Ausflug nach Rüdesheim und sahen das herrliche unvergleichliche Nationaldenkmal auf dem Niederwald, das auch Du gesehen hast. Auch in Biebrich waren wir schon vorher. Eine angenehme Gesellschaft und Begleitung auf unseren Spaziergängen fanden wir in dem jungen Ehepaar Dr. Wegele; er ist der Sohn meines Freundes in Würzburg, jetzt Badearzt in Westfalen zu Königsborn und einst mein Pathe.

Unsere Luise hat sich gegenwärtig einer sechswöchentlichen Kur im Diakonissenhaus zu München unterzogen, wobei sie die ersten vierzehn Tage im Bette zubringen muß, mit Massierung bearbeitet und herausgefüttert wird. Ein guter Erfolg ist dann zu erwarten.

Ich sende Dir den monatlichen Zuschuß von 60 Mark; er ist wie Du weißt, darauf berechnet, daß auch Deine aufgelaufenen Schulden dadurch vermindert werden können.

Marie läßt Dich herzlich grüßen.

Dein Vater Hegel