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Joseph Hansen an Karl Hegel, Köln, 25. Januar 1895

Sehr geehrter Herr Professor!

Die Bürgerlisten I und II sowie die Gildeliste befinden sich augenblicklich in Berlin, da Professor Höniger sie sich zur Benutzung dorthin erbeten hat. Ich kann Ihnen daher auf Ihre erste Frage vorläufig nicht bestimmt erwidern. Ich werde die Listen aber reclamiren und Ihnen, sobald sie wieder hier sind, das Resultat der Schriftvergleichung mittheilen.

Vorläufig möchte ich Ihnen aber, für den Fall daß es Ihnen noch nicht bekannt sein sollte, mittheilen, dass alle drei Listen in dem so eben erschienenen Schlussband der Ausgabe der Kölner Schreinurkunden (von Hoeniger) abgedruckt sind und daß die Gildeliste dort auch photographisch nachgebildet ist. In der Vorbemerkung sind die Momente, nach denen sich die Datirung bestimmt, zusammengestellt. Danach scheint mir kaum ein Zweifel möglich, dass die Listen im 12. Jahrhundert niedergeschrieben worden sind.

Was Ihre zweite Frage, die Ortsbezeichnungen bei manchen der in Liste erscheinenden Personen und ihre Bedeutung betrifft, so glaube ich, dass im allgemeinen anzunehmen ist, dass die Personen aus den betreffenden Orten stammen.

Dr Keussen hat seiner Zeit darauf aufmerksam gemacht, dass die Bezeichnung auch von einem Kölner Haus entlehnt sein könnte, welcher den betreffenden Ortsnamen trug. Und es sind wahrscheinlich eine grosse Menge Kölner Häuser nach Ortsnamen bezeichnet worden, wie ebenso wahrscheinlich viele Kölner Einwohner sich nach dem Namen des von ihnen bewohnten Hauses genannt haben. Bei einem Petrus de Basilica z. B. liegt also im allgemeinen die Möglichkeit vor, dass er selbst aus Basel stammt, oder dass er der Nachkomme eines Baselers ist, oder dass er ein nach einem früheren Einwanderer ‚Haus Basel’ genanntes Haus erworben hat, ohne mit dem Einwanderer in irgend einem verwandtschaflichen Verhältniss zu stehen. Aber diese Möglichkeiten liegen doch im 13. und 14. Jahrhundert eher vor, als im 12. Jahrhundert, wo die Zunamen überhaupt erst aufkommen. Mir erscheint es gesucht, für diese Zeit nicht nach der ersten, von vorn herein wahrscheinlichsten Erklärung zu greifen.

Ich habe mit Dr Keussen, der, wie Sie wissen werden, Archivrat am hiesigen Archiv ist, die Frage noch einmal durchgesprochen, und auch er neigt zu dieser Auffassung für die hier in Rede stehende Zeit. Er hat in seinem Widerspruch gegen die Doren’schen Tabellen einmal im allgemeinen auf die Unsicherheit derartiger statistischer Bearbeitung aufmerksam machen, dann aber vor allem die Oberflächlichkeit rügen wollen, mit der die lokalen Feststellungen von Doren weggenommen worden sind. –

Dass der 3. Band der Chroniken2 jetzt in Druck gehen wird, freut mich sehr; ich bin sicher, dass Dr Ilgens Arbeit vorzüglich ausgefallen ist.

Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr ergebener
Hansen