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Karl Hegel an Gerold Meyer von Knonau, Erlangen, 17. Juni 1896

Hegel 17 VII 96

Sehr geehrter Herr Professor!

Mein College von Bezold hat einen Ruf nach Bonn angenommen und einen andern nach Tübingen abgelehnt. Also ist die ordentliche Professur für mittlere und neue Geschichte neu zu besetzen und ich habe die Vorschläge zu machen. Ich falle bei Ihnen mit der Thüre ins Haus und frage Sie, ob irgend eine Möglichkeit vorhanden ist Sie für uns zu gewinnen? Könnten Sie sich dazu entschließen Ihr schweizerisches Vaterland zu verlassen und nach Deutschland überzusiedeln? Ich halte es für denkbar, daß das radicale Regiment in Zürich1 und die prekäre Stellung eines Universitätsprofessors dort Sie dazu bestimmen könnte, unsere ruhigeren und gesicherten Zustände vorzuziehen. Es käme dann nur auf die Bedingungen an, die wir Ihnen zu bieten hätten. Diese sind günstig.

Der Anfangsgehalt eines ordentlichen Professors beträgt 4560 Mark, außerdem wird ein Wohnungszuschuß bis zu 1200 Mark gewährt, wenn das Vorlesungshonorar nicht soviel beträgt. Dazu kommen Alterszulagen für jedes Quinquennium mit je 360 Mark für die drei ersten, 180 Mark für die späteren, und Facultätsgebühren.

Ein Professor kann nicht gegen seinen Willen pensioniert werden; nach vollendetem 70. Lebensjahr behält er sein volles Gehalt, auch wenn er sein Docentenamt nicht mehr versieht. Die Wittwenpension ist bei uns außer durch die Staatswittwenkasse auch noch durch eine Privatwittwenkasse besser als irgendwo gestellt. Um meinen Vorschlag Ihrer Berufung zu begründen brauche ich nur noch zu wissen, daß Sie Protestant sind, was ich bei Ihnen als selbstverständlich voraussetze – denn einen katholischen Historiker wollen wir nicht haben. Das übrige, Ihre Schriften, der Umfang Ihrer Vorlesungen, ist mir bekannt.

Sie kennen wohl im allgemeinen die hiesigen Universitätsverhältnisse, die Zahl der Studirenden, 1150 im vergangenen Wintersemester, 1140 im gegenwärtigen Sommersemester. Unsere Kataloge über Personal und Vorlesungen kann ich Ihnen schicken, falls Sie sie nicht haben. Die persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen unter den Collegen und deren Frauen sind die angenehmsten.

Ich bemerke noch inbezug auf die Gehaltsbedingungen, daß falls bei der Berufung ein höheres Anfangsgehalt, als das normale ist, festgesetzt wird, alsdann der Umzugszuschuß wegfällt.

Ich erwarte von Ihnen natürlich keine bindende Erklärung, aber schon die Eröffnung einer Möglichkeit Sie zu gewinnen würde mir genügen Sie in Vorschlag zu bringen. Erfreuen Sie mich durch eine baldige Antwort, da die Sache drängt.

Hochachtungsvoll
Ihr ergebener
Karl Hegel.