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Karl Hegel an Georg Hegel, Erlangen, 1. September 1896

Mein Sohn Georg!

Deine Postkarte von gestern ist mir zuvorgekommen. Ich wollte Dir schon längst antworten auf Deinen Brief vom 19. August vorigen Monats1, der uns noch am Achensee kurz vor unserer Abreise zugekommen ist, und vor allem Dir meine Freude aussprechen über Deine so unerwartet frühe Beförderung zum Hauptmann erster Klasse mit entsprechend ansehnlicher Gehaltszulage. Das ist ja eine bedeutende wirtschaftliche Aufbesserung, die mit der unverkürzten Zulage Deiner guten Schwiegermutter, Dir zum erstenmal in Deinem Leben gestattet, etwas für die Zukunft zurückzulegen. Du bist besser daran als Dein Bruder Sigmund, der, wie ich es fast bewundere, in dem teueren Berlin mit viel weniger auskommt und dabei ganz zufrieden ist. Von ihm hörten wir schon von Eurem Besuch in Elster, der leider durch schlechtes Wetter beeinträchtigt wurde; von Deinen Besuchen bei den Verwandten in Nürnberg aber hatte ich bisher noch nichts erfahren, denn nach Nürnberg sind wir noch nicht wieder gekommen.

Seit Donnerstag, dem 27. August sind wir nach dreiwöchiger Abwesenheit hierher zurückgekehrt. An dem wunderschönen Achensee verlebten wir 14 angenehme Tage trotz vielen schlechten Wetters, denn nur ein ganzer und zwei halbe schöne Tage waren uns neben lauter Regentagen vergönnt, doch gute Unterhaltung fanden wir im Hotel Stefanie in der Gesellschaft der Gäste. Noch besuchten wir dann Innsbruck zwei Tage, gleichfalls unter vollem Regen, und kamen von dort über den Scharnitzpaß, im Postwagen frierend nach Mittenwald und über Partenkirchen nach München, wo wir nur ein paar Stunden die elternlose Familie Lommel aufsuchten. Schönes Wetter trafen wir erst wieder an in Erlangen als ein gutes Omen für die Behaglichkeit unseres heimatlichen Daseins, an dem nur Marie noch keine rechte Freude finden will.

Unser 19. Regiment ist heute morgen, wie ich im Tagblatt lese, ausgerückt. Du wirst erst am 10. dieses Monats Bamberg und Marei verlassen. Eine große Freude würde es für uns sein, wenn es Euch noch möglich wäre am Sonntag, den 6. September zu uns zu kommen; es war meine Absicht Euch dazu einzuladen und ich schöpfe aus Deiner Postkarte die Hoffnung, daß wir Euch wirklich erwarten dürfen.

Marie läßt Euch herzlich grüßen

Dein Vater.

P. S. Marie läßt noch sagen, daß Euer Besuch ihr an jedem Tage passen würde; sie möchte es nur vorher wissen.