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Karl Hegel an Georg Hegel, Erlangen, 16. Mai 1897

Mein Sohn Georg! Deinen Brief vom 5. Mai und Deine Postkarte1 vom Lechfeld habe ich hier erhalten. Wir kommen am Tage Pankratius, den 12. Mai, zurück. In Berlin, wo wir eine Woche verweilten, hatten wir zwar einige kalte und regnerische Tage, doch auch einige paar schöne, die wir zu einem Ausflug nach Potsdam mit Sigmund und Otti, Frau Ziegler, Clara und Clärchen, zum Besuch des zoologischen Gartens und der Blumenausstellung im Treptower Park benutzten. Bei Zieglers waren wir aufs beste aufgehoben und verpflegt, seine Equipage stand uns beständig zur Verfügung, so daß ich mich nicht viel anzustrengen brauchte.2 Im Opernhaus sahen wir eine prachtvolle Aufführung der Oper Undine von Lortzing.

Anderthalb Tage waren wir in Dresden auf dem Rückwege; auch dort war das Wetter kalt und regnerisch; die herrliche Gemäldegallerie zu sehen und nach dem großen Park zu fahren, hinderte es uns jedoch nicht. Die schlimmsten Tage waren die ersten in Erlangen; hoffentlich haben sie gestern mit Bonifatius ihr Ende erreicht.

Wie wird es aber Dir in den luftigen Holzbaracken auf dem Lechfelde ergangen sein? Gewiß sehr ungemütlich, aber durch die gute Kameradschaft erleichtert, und sehr angenehm waren die Sonntagsausflüge nach München.

In Berlin erfreuten wir uns besonders an dem schönen Glück von Sigmund und Otti, dem Entzücken der kleinen Elsbeth. Da sie eben zahnte, fand ich sie leider etwas weinerlich, sonst soll sie ein sehr fröhliches Kind sein, wie sie auch kräftig blühend und hübsch ist. Meine Schwägerin Clara fand ich liebenswürdig und lebhaft wie sonst; sie wollte mit uns überall dabei sein. Herr Ziegler war nach Petersburg in Biergeschäften verreist; seine Frau machte uns die freundliche Wirtin.

Annas Geburtstag, nach dem Du fragst, ist der 24. Mai; sie wird 46 Jahr alt!

Sehr nett ist es, daß Deine Marei Dich in München besuchen darf, ich grüße sie herzlich.

Marie schließt sich mit ihren Grüßen an.

Dein Vater.