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Eduard Wölfflin an Karl Hegel, München, 18. März 1901

Verehrter Herr College,

Gewiß bedeutet bustum eine Brandstätte, es fragt sich nur, was wir uns als verbrannt zu denken haben. Möglicherweise eine abgebrannte Stadt, allein in diesem Sinn wird das Wort selten gebraucht, und gewiß hat Ammian daran nicht gedacht.

Gewöhnlich wird bustum auf den verbrannten Leichnam bezogen; der Leichenhügel mit den Gebeinen und der Opfer. Da aber Verbrennung und Beerdigung im Alterthum nebeneinander hergehen, so werden die Ausdrücke der ersten Kategorie oft auf die zweite übertragen und umgekehrt, wie wir sagen: Friede seiner Asche statt ‚er ruhe sanft’ (in der Erde). Darnach könnte busta auch für ‚Friedhof’ stehen.

Nun haben nach heutiger Statistik die Friedhofportiers, so viel ich weiß, ein langes Leben; im Alterthum bevor die Hygiene erfunden war, muß es umgekehrt gewesen sein. Die Luft galt als ungesund: und so dachten es sich, die Germanen, welche nach Tacitus Germania den Straßenbau vermieden. Sie gehen in keine Römerstädte, weil sie fürchten sich nun Infectionskrankheiten zuzuziehen.

Ob nun die Städtemauern mit Jägernetzen verglichen werden? Der Vergleich hinkt.2 Aber Ammian scheint seine Worte doch so verstanden zu haben. Er hat 2 Bilder vermengt; 1) Die Städte kommen ihnen vor wie Friedhöfe, 2) wie Stellen des Waldes, wo Netze gelegt sind.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr hochachtungsvoll ergebenster
Eduard Wölfflin.