Gewiß bedeutet bustum eine Brandstätte, es fragt sich nur, was wir uns als verbrannt zu denken haben. Möglicherweise eine abgebrannte Stadt, allein in diesem Sinn wird das Wort selten gebraucht, und gewiß hat Ammian daran nicht gedacht.
Gewöhnlich wird bustum auf den verbrannten Leichnam bezogen; der Leichenhügel mit den Gebeinen und der Opfer. Da aber Verbrennung und Beerdigung im Alterthum nebeneinander hergehen, so werden die Ausdrücke der ersten Kategorie oft auf die zweite übertragen und umgekehrt, wie wir sagen: Friede seiner Asche statt ‚er ruhe sanft’ (in der Erde). Darnach könnte busta auch für ‚Friedhof’ stehen.
Nun haben nach heutiger Statistik die Friedhofportiers, so viel ich weiß, ein langes Leben; im Alterthum bevor die Hygiene erfunden war, muß es umgekehrt gewesen sein. Die Luft galt als ungesund: und so dachten es sich, die Germanen, welche nach TacitusGermania den Straßenbau vermieden. Sie gehen in keine |Römerstädte, weil sie fürchten sich nun Infectionskrankheiten zuzuziehen.
Ob nun die Städtemauern mit Jägernetzen verglichen werden? Der Vergleich hinkt.2 Aber Ammian scheint seine Worte doch so verstanden zu haben. Er hat 2 Bilder vermengt; 1) Die Städte kommen ihnen vor wie Friedhöfe, 2) wie Stellen des Waldes, wo Netze gelegt sind.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr hochachtungsvoll ergebenster Eduard Wölfflin.
1Ort und Datum stehen am unteren Briefende linksbündig. Antwortbrief auf: Brief 19010317_01. 2Es folgt ein mit Hilfe von durchgängiger, waagrechter Durchstreichung getilgter Absatz, der wohl die Interpretation als solche kenntlich machen soll: „Ich möchte daher interpretieren: sie scheuen sich von den Städten wie der Eber vor dem Netze. Wie das Wild nicht mehr lebendig aus dem Netze herauskommt, so glauben die Germanen, daß sie in den Städten zu Grunde gehen.“
Wölfflin, EduardEduard Wölfflin11745347118311908Wölfflin, Eduard (1831–1908), in Basel geborener Klassischer Philologe, der an den Universitäten Basel und Göttingen studierte und im Jahre 1854 promoviert wurde. Zunächst Gymnasialprofessor in der Schweiz, wurde er 1856 habilitiert Privatdozent an der Universität Zürich, 1869 dort außerordentlicher Professor, 1871 Ordinarius für Klassische Philologie und 1875 ordentlicher Professor seines Faches an der Universität Erlangen. Von 1880 bis 1906 war er Ordinarius an der Universität München, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissensschaften und begründete den „Thesaurus Linguae Latinae“, das umfassendste einsprachige Wörterbuch der lateinischen Sprache.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Ammianus Marcellinus118502581um 330um 395/400Ammianus Marcellinus (um 330 – ca. 395/400 n. Chr.), war römischer Soldat und spätantiker römischer Geschichtsschreiber sowie Verfasser der zur Erforschung des 4. Jahrhunderts n. Chr. sehr wertvollen, wenngleich bisweilen auch durch subjektive Anschauungsweise gekennzeichneten „Res gestae“, mit denen sich Karl Hegel in seinem Alterswerk „Die Entstehung des deutschen Städtewesens“ auseinandergesetzt hat.
Tacitus11862045258 v. Chr.120 n.Chr.Tacitus (58–120 n. Chr.), war ein insbesondere für seine Schrift über die Germanen unter ethnographischen Gesichtspunkten im Spiegel der eigenen, römischen Gesellschaft bekannter römischer Historiker.
LeichenhügelGermanische Grabstätte, die durch einen Hügel gekennzeichnet ist; die Leichname wurden verbrannt, aber auch erdbestattet, was archäologische Funde belegen.
Alterthum, AltertumAus dem Neuhochdeutschen stammender Begriff ursprünglich für „Alter“, „Altsein“ stehend, dann Begriffswandlung hin zu: „Alter Zeit“, oftmals, durchaus aber umstritten, im Verständnis als Teil der Weltgeschichte bzw. Zeitalter, das vor dem Mittelalter lag. Seit dem 19. Jahrhundert immer mehr als Synonym für Antike gebräuchlich in Form einer Bedeutungsverengung auf den griechisch-römischen Teil des Altertums.
HygieneSauberkeit im medizinischen Sinne zur Gesundheitserhaltung des Menschen, z. B. durch die Bekämpfung von Krankheitserregern etc.
GermanenDie Bezeichnung „Germanen“ steht für eine Gruppe von ehemaligen Stämmen in Mitteleuropa und im südlichen Skandinavien, die von Seiten der Forschung vornehmlich und traditionell über die Sprache bestimmt wird. Damit gelten sie als Angehörige einer der zur indogermanischen Sprach- und Völkerfamilie gehörenden Gruppe untereinander sprachverwandter Völkerschaften in Nord- und Mitteleuropa; Kennzeichen dieser speziell germanischen Sprachen sind u. a. bestimmte Lautwandel im Vergleich zur rekonstruierten indogermanischen Ursprache, die dadurch als germanische bzw. sogenannte erste Lautverschiebung (nach ca. 500 v. Chr.) als vereinheitlicht bzw. ähnlich angesehen werden. Das von Germanen bewohnte Siedlungsgebiet wurde von römischer Seite aus als „Germania magna“ bezeichnet.; die Beschreibung der verschiedenen germanischen Stammesverbände sowie deren Namen (Langobarden, Franken, Markomannen, Sachsen, Vandalen etc.) kam erst in der Spätantike bzw. in der Völkerwanderungszeit (ca. 4.-6. Jahrhundert n. Chr.) auf.
Germania (Tacitus)Schrift des römischen Historikers Tacitus (58-120 n. Chr.) über die Germanen unter ethnographischen Gesichtspunkten im Spiegel der eigenen, römischen Gesellschaft, ohne jemals selbst in „Germanien“ gewesen zu sein.
RömerstädteIm römischen Reich gelegene Städte.
InfectionskrankheitInfektionskrankheit, eine durch Infektion (z. B. mit Viren, Bakterien oder Parasiten) ausgelöste Krankheit.
StädtemauernPlural von Stadtmauer gebraucht analog zu „Städtegeschichte“ also in vergleichender Perspektive mehrerer Städte und ihrer jeweiligen Mauern.
JägernetzeBei den Germanen verwendete Netze zum Jagen und Fangen von Wildtieren.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis